Im Bereich Natural Horsemanship gibt es noch viele Mythen und Voreingenommenheit auch was das Equipment angeht.
Natural Horsemanship heißt z.B. nicht, dass grundsätzlich gebisslos geritten wird. Auch hier gibt es Trensen und Kandaren.
Parelli Natural Horsemanship ist keine Frage des Equipments, sondern der Einstellung.
Der Grund, z.B. bridleless zu reiten - also ohne ein Kopfstück- ist, um unsere natürlichen Hilfen zu schulen, bevor wir z.B. die Zügel nutzen. Dieser Grund gilt auch, wenn wir mit Gebissen reiten.
Wenn wir dann bridleless häufig am Neckstring/ Halsring zupfen oder ziehen ist das Ziel genauso verfehlt, wenn wir häufig am Gebiss ziehen oder zupfen.
Wir sollten uns also sehr bewußt sein, wie oft wir die Zügel nutzen, bzw. unsere Handposition verändern, denn damit findet bereits eine Signalgebung statt.
Wenn unsere Hand geschult ist (die Zügel so wenig wie möglich einzusetzen), spricht nichts dagegen bridless oder/ und ein Gebiss beim Reiten zu nutzen.
Nach meiner Erfahrung hatten junge, unerfahrene Pferde noch nicht ein Problem mit Gebissen, die ggf. kamen erst, wenn die Hand der Reiterin oder des Reiters hinzu kam.
Es gibt viele Seminare über die Wirkung von Gebissen und dem jeweiligen Gebisstyp, die sehr zu empfehlen sind, denn es ist wichtig, dass wir wissen, wie Gebisse mental, emotional und auch physisch beim Pferd wirken. JA! es gibt nicht nur eine physische Wirkung auf das Pferd. Warum gibt es sonst so viel verschiedene Gebissvariationen?
Ich halte meine "Gebisskollektion" sehr reduziert. Dennoch gibt es einige Faktoren zu beachten:
- Gebissgröße?
- Gebissdicke?
- Welches Material?
- Hohles oder massives Gebiss?=
- Trense und wenn ja welche?
- Kandare und wenn ja welche?
Hier die Antworten zu finden ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich und hängt zunächst einmal von den physischen Voraussetzungen des Pferdes ab. Dann kommt die Komponente der Vorliebe des Pferdes. Gerade die Vorliebe des Pferdes klingt nach sehr viel Spielraum. Dabei ist auch das relativ einfach herauszufinden, denn es hängt mehr von seinem Typ ab.
Hierzu ein Beispiel zu meinem Pferd Vareto. Nebst seinem kleinen Maul und dem Hengstzahn bietet das Maul wenig Platz für ein Gebiss. Das zur physischen Voraussetzung. Darüber hinaus ist er ein sehr extrovertiertes Pferd und hat Tendenzen unsicher zu sein aber auch sehr verspielt. Bei Parelli nennen wir einen solchen Pferdetyp (Horsenality) RBE/ LBE. Das hat zur Folge, dass alles, was im Maul unruhig oder flexibel ist, ihn eher verunsichern oder sogar verängstigen. Stabilität im Maul ist also ein wichtiger Aspekt für dieses Pferd. Deshalb ist das Reiten gebisslos oder bridleless sehr viel einfacher für ihn als mit Gebiss. Da wir unsere gemeinsame Reise aber auch auf ein neues Niveau in Sachen Präzision bringen wollen, kam naturgemäß die Trense hinzu. Erst sehr viel später wurde mir klar, warum die Trense nicht sein Gebisstyp ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese einfach oder doppelt gebrochen ist, ob es sich um eine Schenkeltrense, eine Wassertrense oder eine Olivenkopftrense handelt.
Wenn es um das Reiten mit Gebiss geht, ist seine Wahl ganz klar eine Kandare. Jede Kandare, die ja letztendlich eine Stange ist, liegt natürlich viel stabiler im Maul verglichen mit einer Trense. Wenn ich mit einer Kandare reite, ist es eine Kombination von einer Stange und einer Unterlegtrense, so dass ich mein Pferd zum Einen bei der Stellung durch die Trense und zum Anderen bei der Longitudinalflexion durch die Kandare unterstützen kann.
Jetzt kommt noch die Zügelführung dazu. Auch hier gibt es unterschiedliche Varianten. Ich benutzt mehrheitlich die gekreuzte Zügelführung, da diese Führung sehr viel Stabilität vermitteln. Pferde, die auf Kandare beginnen, reite ich lieber mit der Fillis-Führung, da eine differenzierte Wirkung auf Unterlegtrense oder Kandare möglich ist.
Das Reiten mit Kandare empfinde ich immer wie ein Geschenk, denn verfeinert es doch die Kommunikation Pferd und Reiterin/ Reiter. Deshalb sollte auch nur das auf Kandare geritten werden, was mit der Trense sehr solide geht oder wie in Vareto's Fall, was gebisslos solide ist.
Die Kandare soll in dem Fall die Kommunikation für bestimmte Übungen verfeinern.
Eine Kandare ist also eine Verfeinerung, um zu überprüfen, wie fein die Signalgebung via Hand-Zügel-Maul wirklich ist.
Das Reiten mit Gebiss ist also grundsätzlich nicht schlecht bzw. das Reiten gebisslos grundsätzlich nicht immer gut. Es geht bei allen Varianten darum, den Einsatz der Hand auf ein Minimum zu reduzieren und mit dem ganz Körper zu reiten.
Deshalb behaupte ich jetzt einmal ganz provokativ, dass ein Reiten gebisslos auch mit Gebiss möglich ist und im Umkehrschluss wir auch gebisslos reiten können und dennoch die Zügel zu viel gebrauchen.
Das Schulen der Hilfen ist nicht abhängig vom Equipment!
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