Immer wieder kommt es zu Missverständnissen und auch zu Vorurteilen, wenn es um den Einsatz von Gerten oder vor allem auch um Sporen beim Reiten geht.
Wir sind uns sicher einig, dass es sich hier um künstliche Hilfsmittel geht, was natürlich auch für Zügel, Gebisse oder Ähnliches gilt.
Unser Thema sind in diesem Blog Artikel aber Sporen und Gerten.
Ich bin der Meinung, dass es sich bei Sporen und Gerten um sehr wertvolle, unterstützende Hilfsmittel handelt, wenn wir den Zweck dieser Hilfsmittel verstanden haben und gelernt haben, sie korrekt einzusetzen.
Das Wichtigste ist, dass das Pferd vor keinem unserer künstlichen Hilfsmittel Angst haben darf oder dadurch eingeschüchtert ist.
Es sollte den Unterschied verstehen, es mit der Gerte gestreichelt oder mit der Gerte touchiert zu werden. Das setzt voraus, dass wir die Hilfsmittel sehr differenziert einsetzen.
Ich sage immer, dass ich möchte, dass mein Pferd vorrangig meine Energie liest und nicht meine Ausrüstung.
Meine persönliche Einstellung ist, dass Gerten und Sporen nur in Hände oder an Füsse gehören, die folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Das Pferd zeigt keine Angst vor Gerte, bzw. Sporen
- Das Verständnis der Reiterin/ des Reiters, dass sie oder er erst eine Berechtigung haben, Gerte bzw. Sporen (künstliche Hilfen) einzusetzen, wenn die natürlichen Hilfen nicht wirksam sind.
- Ein differenzierter und effizienter Einsatz von Gerte und Sporen.
Das bedeutet im Umkehrschluss:
- Gerten oder Peitschen dürfen nicht zur Bestrafung genutzt werden. Eine Bestrafung hat generell keine Berechtigung und ist komplett abzulehnen.
- Sporen sind nicht zu benutzen, wenn das Bein beim Reiten instabil und unruhig ist. Hier sollte eine Schulung des Reitersitzes vorausgehen.
GERTEN UND SPOREN SIND DAZU DA, UM NATÜRLICHE HILFEN ZU SENSIBILISIEREN.
Oft erlebe ich, dass Aufklärungsbedarf besteht, wenn es um den Einsatz von Gerten und Sporen geht.
Gerten
Gerten werden oft genutzt, wenn es darum geht, das Vorwärts beim Reiten zu verbessern. Das ist grundsätzlich auch korrekt. Eine Gerte kann aber viel mehr. Sie sind hervorragend geeignet, um zu begrenzen. Das ist z.B. erforderlich, wenn das Pferd beim Reiten verstärkt und damit einseitig auf die Schulter fällt oder auch bei geraden bzw. gebogenen Linien die Hinterhand nicht auf der Linie der Vorhand hält. Im Gegenzug zur Begrenzung kann die Gerte verstärken. Das bedeutet z.B. die Abstellung der Hinterhand bei lateralen Manövern zu erhöhen, bei denen die Hinterhand kreuzt wie z.B. beim Travers, Renvers, Traversale, Pirouette, Pirouette renversée.
Deshalb ist es wichtig, zu wissen und vor allem zu fühlen, wie wir das Pferd beim Reiten unterstützen sollten. Wenn das Bein also nicht ausreicht, ist der Einsatz in diesen Fällen durchaus gerechtfertigt. Wichtig ist, dass die Gerte so genutzt wird, dass das Pferd sensibler auf das Bein reagiert und damit auf die Begrenzung oder Verstärkung der Abstellung.
Wenn es darum geht, das Vorwärts zu erhöhen, ist unbedingt darauf zu achten, dass vor dem Einsatz der Gerte die eigene Energie beim Reiten überprüft wird; ist diese angemessen zum verlangten Vorwärts? Nur dann ist hier ein Gerteneinsatz berechtigt.
Wenn wir unsere natürlichen Hilfen verfeinern wollen, kann die Gerte hervorragende Dienste leisten. Das ist aber nur möglich, wenn unsere natürlichen aber auch unsere künstlichen Hilfen nicht zum Dauereinsatz degradieren.
Genau dort fängt oft die Herausforderung an. Nebst einem differenziertem und effizienten Einsatz ist es wichtig, dass die Hilfsmittel diszipliniert eingesetzt werden. Das gilt vor allem für künstliche Hilfsmittel.
Eine weitere Einsatzmöglichkeit der Gerte beim Reiten kann eine Stabilisierung sein. Das gilt vor allem für Reiterinnen/ Reiter und Pferde, die mit Equibalance® vertraut sind. Hier wird die Gerte eingesetzt, um die Emotionen von unruhigen Pferden zu stabilisieren. Auch hier als Unterstützung, wenn das Reiterbein dazu nicht ausreicht. Diese Übung nennt sich bei Equibalance® "Das freundliche Bein". Spätestens hier ist klar, dass Gerten auch bei hochsensiblen und vielleicht überimpulsiven Pferden zum Einsatz kommen können.
Nebst der Gerte als Solche kann und muss differenziert werden, welche Gerte ich einsetze. Sie sollte zum Einsatz und damit zum Pferd passen. Denn jede Gerte ist anders konzipiert und damit meine ich nicht nur die Länge, sondern auch die Art der Kommunikation, der Gerte: Starr, elastisch, hochelastisch. Ich kann nur empfehlen, alleine das Schwingen von unterschiedlichen Gerten zu testen. Je elastischer die Gerte ist, desto eher nutze ich diese bei selbstbewussten oder phlegmatischen Pferden.
Bei unruhigen, unsicheren Pferden nutze ich eher starrere Gerten.
Starrere Gerten geben Energie differenzierter an das Pferd weiter als hochelastische Gerten.
Deshalb besitze ich unterschiedliche Gerten bezüglich Länge und Elastizität und entscheide je nach Pferd und erforderliche Unterstützung beim Reiten.
Sporen
Gerade wenn es um Sporen geht, erlebe ich immer wieder, dass diese zu wenig oder zu viel eingesetzt werden. Meist kommt es auf den Hintergrund der Reiterin/ des
Reiters an.
Dabei ist bei der Wahl ob mit oder ohne Sporen geritten wird nicht das ausschlaggebende Kriterium, ob die Reiterin/ der Reiter Freizeitreiterin/ Freizeitreiter oder im Turniersport aktiv ist.
Sporen haben eine ähnliche Aufgabe wie die Gerte mit dem Unterschied, dass Sporen in der Regel nicht genutzt werden sollten, um das Vorwärts des Pferdes beim Reiten zu verbessern. Leider werden Sporen aber oft genutzt, um genau das zu erreichen.
Das möchte ich kurz aufklären.
Wenn ich das Vorwärts beim Reiten erhöhen möchte, bedeutet das zunächst, dass dies meine Energie und mein Sitz einleitet, wenn dies nicht ausreicht schliesse ich meine Waden, nicht meine Fersen.
Das beidseitge Schliessen der Fersen hat zur Folge, dass wir unseren korrekten Sitz verlieren, weil die Beine hochgezogen werden und den Kontakt durch die
Adduktoren (Innenbeinmuskeln), die das Pferd beim Reiten einrahmen sollten, verlieren.
Sporen eigenen sich also, um vor allem einseitig eingesetzt zu werden. Das betrifft die lateralen Manöver, also die Seitengänge genauso wie eine subtile Aufforderung zum Stellen des Pferdes durch das Bein und nicht durch den Zügel.
Man darf nicht vergessen, dass Sporen viel punktueller und damit präziser auf eine Fläche wirken, als eine Gerte. Spätestens hier wird klar, wie wichtig es ist, dass wir eine hohe Kontrolle über unsere Beine beim Reiten haben sollten, bevor wir Sporen einsetzen, damit wir diese auch präzise einsetzen können.
Es gibt für mich nur eine Situation, Sporen beidseitig einzusetzen: Wenn das Pferd auf das beidseitige Schliessen der Waden für das Vorwärts desensiblisiert worden ist. Auch das würde ich zunächst versuchen, mit dem zusätzlichen Einsatz der Gerte zu lösen. Dieses Thema gehört aber unbedingt in erfahrene Hände oder besser Beine. Denn Ziel ist hier unbedingt, dass das nur eine kurzzeitige Korrektur sein sollte, denn wenn das Pferd auch auf das beidseitige Schliessen der Beine mit Sporen desensibilisiert ist, wird es immer schwieriger, das Pferd wieder zu sensibilisieren.
Wenn die Reiterin/ der Reiter die Beine unter Kontrolle hat, kommt es auch nicht zum Dauergebrauch von Sporen, da diese erst zum Einsatz kommen sollten, sobald die Reiterin/ der Reiter die Fussspitze nach aussen dreht und damit die Sporen Kontakt mit dem Pferdekörper machen.
Auch hier ist zu erwähnen, dass die Sporen ihren Zweck erfüllen müssen und zum Pferd passen sollen. Es ist nicht gerechtfertig, kurze, stumpfe Sporen zu nutzen, wenn die Reiterin/ der Reiter das Bein beim Reiten nicht kontrollieren kann.
Bei Sporen gibt es ein grosses Angebot von Arten von Sporen: Länge des Sporn, stumpfe, abgerundete, spitze, vertikal gebogene, nach innen gebogene Sporen. Mit Rädchen (runde, Sterne, kleine, grosse, usw.). Auch Varianten wie Sporen, die aufgesteckt oder verschnallt werden. Auch hier spielt natürlich die Position der Sporen an der Ferse eine grosse Rolle (höher, tiefer). Grösse der Reiterin/ des Reiters und die Gurtentiefe des Pferdes sind entscheidend bei der Wahl und Verschnallung der Sporen aber vor allem, was ich vom Einsatz der Sporen erwarte.
Was ist jetzt mit denen, die ganz auf Sporen oder Gerten beim Reiten verzichten möchten. Das hat oft mit dem Hintergrund der Reiterin/ des Reiters zu tun. Oft erlebe ich diesen Wunsch vor allem bei Reiterinnen und Reiter aus dem Bereich Natural Horsemanship. Ich finde das eine sehr gute Einstellung, wenn es darum geht, zunächst sich selbst und den eigenen Sitz beim Reiten zu schulen.
Sobald wir einen Anspruch von Verfeinerung haben, den es natürlich auch beim Natural Horsemanship Reiten gibt, ist zu überdenken, wie ich das erreichen möchte und ob die Verfeinerung auch ohne den zeitweisen, differenzierten Einsatz von künstlichen Hilfsmitteln möglich ist.
Das Ziel vom Pferd-/ Reiterpaar ist bei dieser Entscheidung relevant.
Das Reiten mit Sporen und/ oder Gerte ist sicher kein Muss, so wie es auch kein Muss ist, mit einem Gebiss zu reiten. Die Frage ist einfach, was ich mit meinem Pferd erreichen möchte und wir dürfen nicht vergessen, dass es das Reiten mit Gebiss auch bei Natural Horsemanship gibt. Bei Parelli nennt sich dieser Bereich "Finesse" und rundet die Ausbildung eines Horseman in diesem 4. Bereich ab. Finesse ist die Verfeinerung des Bereichs "Freestyle".
Abschliessend ist zu sagen, dass beim Einsatz von Gerten und Sporen zunächst die Frage des Ausbildungsstandes der Reiterin/ des Reiters voraus geht und nicht der des Pferdes. Das gilt vor allem in Hinblick auf den Einsatz von Sporen.
Egal ob Gerte oder Sporen; sie sind mit Bedacht zu wählen und immer als Verfeinerungswerkzeuge zu verstehen und nicht für den Dauergebrauch geeignet. Den eigenen Sitz beim Reiten zu schulen ist hier mein Tipp, Hilfen differenziert einzusetzen -egal ob natürliche oder künstliche Hilfen-.
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